2. SONNTAG DER OSTERZEIT
Evangelium nach Johannes (20,19-31)
Warum beschäftigen sich Menschen nach 2000 Jahren noch mit Jesus von Nazareth? Was bewegt Christen, an Jesus zu glauben? Weil er große Weisheiten verkündet hat? In der Menschheitsgeschichte gibt es viele, die das getan haben. Aber sie sind gestorben, gehören der Vergangenheit an. Ihre Worte sind vielleicht noch interessant. Aber sie selbst? Ich glaube nicht an sie als Person, indem ich ihnen mein Vertrauen schenke. Sie sind für mich nicht mehr lebendig, höchstens in der Erinnerung. Nur ihre Ideen sind mir wichtig.
Bei Jesus ist das anders. Er gehört nicht zu der Vergangenheit. Er wurde von Gott auferweckt. Das ist die revolutionärste Botschaft in der Geschichte der Menschheit. Über keinen anderen Religionsgründer wird so etwas erzählt. Hier bekommen das Leben und der Tod, eine ganz neue Bedeutung. Aber es ist für viele, wie Goethes Faust sagte: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Sogar viele, die sich „katholisch“ nennen, glauben nicht an eine Auferstehung.
Schon Petrus und die anderen Jünger meinten, als die Frauen mit der Nachricht kamen, Jesus sei auferstanden: Das ist nur Geschwätz. Sie mussten von Jesus selbst überzeugt werden. Das geschah durch die sogenannten Erscheinungen, die aber in der Bibel nie beschrieben werden. Was da auch geschehen ist: Es waren Erfahrungen, die das Leben dieser Menschen auf den Kopf gestellt haben.
Aber was ist mit all denen, die diese „Erscheinungen“ nicht erlebt haben? Wie können sie trotzdem zu der Überzeugung kommen: „Jesus lebt“? Das war auch die Frage der Christen, für die Johannes sein Evangelium geschrieben hat, ungefähr 60-70 Jahre nach dem Tod von Jesus. Diese Christen haben - so wie wir - Jesus, wie er in Palästina gelebt hat, nicht mehr gekannt. Wie können sie an ihn glauben, ohne persönliche Erscheinungen, die damals die Apostel erlebt haben? Auf diese Frage will der Evangelist, durch die Erzählung über Thomas, eine Antwort geben (Übrigens: eine Erzählung die nur im Johannesevangelium vorkommt).
Thomas ist ein Realist, ein nüchtern denkender Mensch. Was die anderen ihm da erzählen, klingt allzu außergewöhnlich und unglaubwürdig. Er will Jesus tastbar erfahren und zwar nicht als ein Hirngespinst, sondern als den Jesus, der gekreuzigt wurde. Er will seine Wundmale sehen und berühren, sonst lässt er sich nicht überzeugen. Thomas wurde von den anderen nicht aus ihrer Gemeinschaft verstoßen, weil er zweifelte. Sie verurteilen ihn nicht. Und deswegen kann er gerade in dieser Gemeinschaft, die wieder zusammengekommen ist um zu beten, seine Erfahrung mit Jesus machen.
Jesus erfüllt den Wunsch von Thomas: Er kann seine Wunden berühren. Aber, ob Thomas das wirklich tut, wird nicht gesagt. Er hat es nicht mehr notwendig. Er braucht keinen physischen Beweis mehr. Thomas ist überwältigt, hingerissen. Und tief berührt spricht er diesen Gott an, der den gekreuzigten Jesus auferweckt hat: „Mein Herr und mein Gott.“
„Glücklich, die nicht sehen und doch glauben!“ Wir brauchen Jesus nicht physisch zu sehen oder zu berühren. Er kann uns ansprechen durch die Worte der Bibel, die uns plötzlich tief berühren. Er kann mit uns unterwegs sein, wie mit den zwei Jüngern von Emmaus: Lange Zeit erkennen sie ihn nicht, aber beim „Brechen des Brotes“ gehen ihnen die Augen auf: Er ist da. „Brannte nicht unser Herz als er zu uns sprach“, fragen sie im Nachhinein.
Wie komme ich heute mit Jesus in Berührung? Er „erscheint“ uns in den Worten der Hl. Schrift, im Gespräch miteinander über ihn; in Gebet und Meditation, in der Tischgemeinschaft mit ihm im Gottesdienst; in der Begegnung mit Menschen, die in seinem Geist leben, die aus dem Glauben an ihn ihr Leben meistern und Freude und Hoffnung ausstrahlen. Das alles sind im wahrsten Sinn des Wortes Berührungs-Punkte mit Jesus. Glücklich, die nicht sehen und trotzdem glauben.